…..sagte der Abgeordnete und Parteivorsitzende der SPD Otto Wels in seiner letzten freien Rede im Deutschen Reichstag am 23. März 1933. Otto Wels begründete die Ablehnung des Gesetzes durch alle 94 Abgeordneten der SPD und tat dies trotz der bereits einsetzenden Verfolgung und der Anwesenheit von SA-Männer im Saal mit einer klaren Absage an den Nationalsozialismus.
Trotzdem wurde an diesem Tag das sogenannte Ermächtigungsgesetz von den noch zugelassenen Parteien mehrheitlich verabschiedet und damit die nationalsozialistische Diktatur etabliert, denn mit diesem Gesetz hatte die NS-Regierung die Ermächtigung erlangt, ohne Zustimmung von Reichstag und Reichsrat sowie ohne Gegenzeichnung des Reichspräsidenten alle möglichen Gesetze zu erlassen.
Zu den damaligen, äußerst mutigen Abgeordneten der SPD gehörte auch Hermann Tempel aus Ostfriesland.
Der Namensgeber unserer Schule, Hermann Bernhard Christoph Tempel, wurde am 29. November 1889 im ostfriesischen Fischerdorf Ditzum geboren. Sein Vater war Lehrer in dieser Gemeinde, gehörte der reformierten Konfession an und fühlte sich der demokratischen Tradition der evangelischen Kirchenbewegung verbunden. Hermann verband ein besonders inniges Verhältnis zu seiner Mutter und seine drei Schwestern unterstützen ihn während seines ganzen Lebens – auch unter schwierigsten Verhältnissen. Dem Vorbild seines Vaters folgend hatte Hermann sich früh entschlossen, ebenfalls Lehrer zu werden und in Aurich das evangelische Lehrerseminar besucht und war bereits als Junglehrer ein entschiedener Schulreformer; eingestellt gegen die geistliche Schulaufsicht und gegen engstirnige Nationalisten.
Im Februar 1915 wurde Tempel zum Militär einberufen, kehrte wegen einer Augenverletzung und einer Typhuserkrankung Ende 1916 in die Heimat zurück. Nach Beendigung des 1. Weltkrieges studierte er an den Universitäten Hamburg und Berlin Psychologie und Philosophie. Da aber die weltweite, extreme Inflation seine Geldmittel aufzehrte, musste er sein Studium aufgeben und war danach bis 1933 als Volksschullehrer in Leer tätig.
Bereits 1919 war der junge Lehrer der Sozialdemokratischen Partei beigetreten, als deren Vertreter er von 1924-1933 im Leeraner Stadtrat war. Obwohl ihm jegliches Karrieredenken fern lag, stieg er in den Deutschen Reichstag auf, dem er von 1925 bis zum Ende im Jahre 1933 angehörte. Er war ein guter Redner und sein Sachgebiet im Reichstag war die Agrarpolitik, vor allem die bäuerliche Siedlung im Osten und die Neulandgewinnung an der Küste. Er trat für die Vereinheitlichung der Stromversorgung für Ostfriesland ein und gehörte zu den Gründern der EWE, deren Aufsichtsrat er angehörte. In Berlin war er Botschafter für Ostfriesland, verstand, für seine Heimat einzutreten, war aber auch ganz bewusst „Abgeordneter des ganzen deutschen Volkes“. Nahe der Grenze aufgewachsen pflegte er auch die Verbindung zu den Niederlanden.
Neben seiner vielfältigen politischen Arbeit begründete Hermann Tempel gemeinsam mit dem Gewerkschafter Louis Thelemann 1924 die sozialdemokratische Wochenzeitung „Der Volksbote“ die zunächst in Leer und später in ganz Ostfriesland und Papenburg mit knapp 7500 Exemplaren erschien und ein wichtiges Instrument war, um zu den politischen Ereignissen seiner Zeit kritisch Stellung nehmen zu können. Die Nazis hebelten jedoch nach und nach alle wichtigen Grundrechte aus, schränkten sehr schnell die Versammlungs- und Pressefreiheit ein und so wurde auch der „Volksbote“ im Februar 1933 verboten.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde die Lage für Hermann Tempel immer brenzliger und so flüchtete er schließlich bei Nacht und Nebel über die Grenze in die Niederlande. Mit Wirkung vom 31. August 1933 entließ ihn das Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung fristlos und ohne jeglichen Anspruch auf Ruhegeld aus dem Schuldienst.
Tiefe Depressionen und Heimweh machten Tempel im Exil schwer zu schaffen. Er hatte Probleme damit, sich mit den jungen Sozialdemokraten im Grenzgebiet zu arrangieren, hielt sich mit Privatunterricht in deutscher Sprache, kleineren journalistischen Arbeiten und deutsch/holländischer Handelskorrespondenz über Wasser und nahm im August 1936 ein einziges Mal an einer SPD-Konferenz in Almelo/Niederlande teil, was später zu seiner Verurteilung wegen „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“ führte. Im Jahre 1937 war Hermann Tempel die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt worden, was die Geheime Staatspolizei jedoch nicht davon abhielt, ihn weiterhin beschatten zu lassen.
Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen im Mai 1940 musste sich Tempel auch in Holland verstecken. Damit nicht auch noch seine Freunde unter der Gestapo leiden sollten, stellte sich der Gesuchte und wurde nach Deutschland gebracht. Vor dem Oberlandesgericht in Hamm wurde ihm schließlich im Juli 1941 der Prozess gemacht und zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, die er im berüchtigten Strafgefängnis Wolfenbüttel verbüßte. Am 12. Dezember 1942 durfte er zu seiner Schwester nach Berlin ziehen, jedoch mit Kontaktverbot zu früheren Freunden. Im Mai 1943, als die Bombenangriffe auf Berlin zunahmen, erhielt er endlich die Erlaubnis, mit seiner Schwester nach Oldenburg zu ziehen, wo er als Lagerarbeiter bei einem Schuhgroßhändler arbeitete.
Hermann Tempel hatte als schwer kranker Mann das Gefängnis verlassen. Hunger und Kälte, dazu die immerwährende Angst vor der Gestapo und dem Konzentrationslager hatten den kämpferischen Sozialdemokraten gebrochen. Am 27. November 1944 endete sein Leben nach einer langen, schmerzhaften Erkrankung. Seinem Wunsch, in Ostfriesland beigesetzt zu werden, wurde nicht entsprochen. Stattdessen wurde Hermann Tempel – selbst hier noch unter Beobachtung der Geheimen Staatspolizei – auf dem Gertrudenfriedhof in Oldenburg beigesetzt.
Quellen: Werner Jürgens/2023 und Stadtbibliothek Leer/Ostfriesland
ZUR ERINNERUNG AN HERMANN TEMPEL, EINEM MENSCHEN, DER SEINEN EINSATZ FÜR EIN FREIES, DEMOKRATISCHES DEUTSCHLAND MIT DEM LEBEN BEZAHLEN MUSSTE, TRÄGT UNSERE SCHULE SEINEN NAMEN.
ZUR MAHNUNG, ZUR WACHSAMKEIT!
Die offizielle Einweihung der neugebauten Hermann-Tempel-Schule erfolgte am 30. August 1974
Zu diesem Anlass war die amtierende Bundestagspräsidentin Annemarie Renger nach Ihlow gekommen
Annemarie Renger
01.10.1919 – 03.03.2008
Annemarie Renger (SPD) war von 1953 bis 1990 Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 1972 bis 1976 war sie Präsidentin und von 1976 bis 1990 Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Damit war sie die weltweit erste Präsidentin eines demokratisch gewählten Parlaments. Und zum ersten Mal bekleidete ein Mitglied der SPD das zweithöchste Amt der Bundesrepublik Deutschland.
Annemarie Renger, geb. Wildung, musste 1934 als 15-jährige Schülerin das Staatliche Augusta-Gymnasium in Berlin verlassen. Der alleinige Grund war die sozialdemokratische Gesinnung ihrer Eltern.